Gedanken zu einer kinder- und jugendfeindlichen Politik

Die Klimademo diese Woche auf dem Bundesplatz in Bern polarisiert und hat einige Politiker*innen mehr als nervös gemacht, anders lässt sich deren inakzeptables Verhalten nicht erklären. Das mediale Interesse haben sie auf sicher, zum Leidwesen der Botschaften der Klimabewegung und der jüngeren Generationen im Allgemeinen.

Ich möchte das Verhalten von Teilen unserer Bundespolitiker*innen nicht weiter thematisieren, von ihnen allen habe ich klare Erwartungen betreffend Anstand, Gesprächskultur und Stressresilienz. Was mich besorgt ist der subtile Sprachgebrauch bürgerlicher Politiker*innen und Zugewandten, wenn es sich um Themen von jungen Menschen handelt. Trotz Zulauf aus allen Generationen hält sich bei der Klimabewegung hartnäckig das Bild einer Bewegung von vornehmlich Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dieses scheinbare «Stigma» reicht einigen Politiker*innen aus um Meinungsäusserungen systematisch abzuwerten, zu verniedlichen, der Jugend im Allgemeinen die Kompetenz und Legitimation für politische Mitbestimmung abzusprechen und sie mit selbstherrlicher Arroganz zu ignorieren. Nationalrat Roland Büchel macht dies mit einem Statz klar: «Ich entschuldige mich sicher nicht bei diesen ‹Schnudergoofen›.» (Goofen ist ein Dialektbegriff für Kinder). Ähnlich abwertend äussert sich auch Nationalrat Marcel Dettling gegenüber der SRF Sendung 10vor10 vom 22. September 2020 (Video bei 19:07).

Mit dem Kommentar von Chefredaktor Stefan Schmid vom 22.09.2020 kommt dies leider auch im St. Galler Tagblatt zum Ausdruck:

  1. Idealismus paart sich mit jugendlichem Übermut und latentem Hang zum Abenteuer.
  2. Zugegeben: Es wäre für die rot-grüne Mehrheit in der Stadt Bern einfacher, stünden ein paar grölende Skinheads auf dem Bundesplatz statt dieser harmlosen Klima-Bande.
  3. … haben sie nicht das Recht, geltende Gesetze zu missachten und mit ihrer Party den Parlamentsbetrieb zu stören.

Parallel zur systematischen Abwertung wird jungen Erwachsenen und Jugendlichen unter 18 Jahren Unreife, Inkompetenz und politisches Desinteresse unterstellt. Die Vorkommnisse der letzten Tage rund um den Bundesplatz haben kaum dazu beigetragen, junge Menschen für die Politik zu begeistern.

Gesucht: neue politische Formate

Politische Themen können zugegebenermassen sehr komplex und abstrakt sein. Ich sehe es als Auftrag und Herausforderung der Politiker*innen, den Menschen die Sachlage adressatengerecht aufzubereiten und diese in den Themen mitzunehmen. Aktuell entsteht bei mir der Eindruck, die Politik habe sich zu einer Elite entwickelt, die sich weit von ihrer Basis entfernt hat. Der politische Wille für Formen einer altersgerechten und bürgernahen Politik, welche Menschen jeden Alters ernst nimmt und teilhaben lässt, fehlt mir. Dazu gehören auch kinder- und jugendgerechte Formen, damit diejenigen, welche morgen von den Entscheiden von heute betroffen sind, mitgestalten können

(Artikelbild: Symbolbild von Markus Winkler über Unsplash

3 Comments

Arena 24. September 2020 Reply

Ein sehr guter Text Roger.
Mir ist in den Tagen sehr viel durch den Kopf gegangen, wie du es hier treffend auch geschrieben hast. Dabei hat mich das Verhalten und Auftreten der Politiker*innen von Links bis Rechts eher irritiert und enttäuscht. Danke, Roger, für deine offenen Gedanken.

Roger 24. September 2020 Reply

Lieber Mauro, danke für deine Worte. Da haben wir diese Woche das Gleiche erlebt. Schön zu Wissen, nicht alleine damit zu sein. Wir bleiben am Thema dran ✌️.
Herzlich, Roger

Steven 25. September 2020 Reply

Danke für deine Worte. Ja, sie sind nervös. Vielleicht wie damals vor 50 Jahren, kurz vor dem Frauenwahlrecht.

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